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Hans Peter Hehn, info@hphehn.de

Führen und arbeiten im Team – was agile Organisationen leisten können

Technologiewerkstatt: Herr Hehn, welches sind die größten Herausforderungen, denen sich Führungskräfte heute stellen müssen?

Hans Peter Hehn:

Wir befinden uns mitten im Prozess der Veränderung von Organisationssystemen. Zunehmend wenden wir uns von der klassisch hierarchischen Organisation ab. Selbstorganisierte Systeme bzw. agile Organisationen werden immer häufiger als Antwort auf die hochkomplexen Anforderungen der heutigen Arbeitswelt betrachtet. Durch größere Flexibilität und gestalterische Freiräume sollen Projekte so schneller und effektiver ans Ziel gebracht werden.

Technologiewerkstatt: Hat diese Änderung der Organisationsprinzipien denn Berechtigung?

Hans Peter Hehn:

Ja, sicher. Ich bin zwar der festen Überzeugung, dass eine Wandlung zur rein agilen Organisation auch nicht klappen wird, aber prinzipiell passt sie zu kreativen bzw. komplexen Projekten. Allerdings bin ich sicher, dass die hierarchische Organisation nicht zu Gunsten der agilen Organisation in die Ecke gestellt werden kann. Selbst das Management eines großen Software-Unternehmens hat bei einem Vortrag neulich den Anteil der für eine agile Organisation geeigneten Prozesse im Unternehmen auf ca. 20 % geschätzt. Deshalb werden auch die hierarchischen Organisationskonzepte noch gebraucht. Ein guter Entscheider weiß, wo welches Konzept besser greift.

Technologiewerkstatt: Woher kommt das agile Organisationskonzept?

Hans Peter Hehn:

Seinen Ursprung hatte es bei der Softwareentwicklung – die agile Projektmanagementmethode SCRUM löste den klassischen Prozess der Softwareerstellung beginnend mit dem oft langwierigen Erstellen eines Pflichtenheftes, das dann über lange Zeiträume umgesetzt wurde, ab. Mittlerweile wird SCRUM aber auch in vielen anderen Bereichen angewandt. Projekte werden in so genannten Sprints bearbeitet. In kurz getakteten Zeiträumen wird geprüft: Was war gut, was war schlecht. Zuständigkeiten und Verantwortlichkeiten sind in den Projektteams angesiedelt. Diese Arbeitsweise soll motivieren und die Entscheidungsfreude fördern. Regelmäßige, kurze Meetings dienen der Statusbestimmung und sorgen für größtmögliche Transparenz.

Technologiewerkstatt: Haben Sie Ihren Führungsstil an agile Projektmanagementmethoden angepasst?

Hans Peter Hehn:

Natürlich – Aufgaben häppchenweise zu delegieren und zu kontrollieren, schränkt Potenziale gewaltig ein. Mitarbeiter kommen erstaunlich gut mit der agilen Methode zurecht. Gute Mitarbeiter bleiben auch nur, wenn sie genügend Aktionsspielräume bekommen. Allerdings gilt es zu erkennen, wer in agilen und wer besser in hierarchischen Systemen zurechtkommt.

Technologiewerkstatt: Sie lehren auch an der Dualen Hochschule in Karlsruhe zukünftige Führungskräfte. Was vermitteln Sie Ihren Studenten, um heute eine gute Führungskraft werden zu können?

Hans Peter Hehn:

Ganz wichtig ist die Delegation von Verantwortung. Mitarbeiter heute sollen Entscheidungsspielräume übertragen bekommen. Zwar müssen manche gecoacht werden – aber die Übertragung von Projekt- und Eigenverantwortung ist von großer Bedeutung. Ich vermittle den Studenten letztlich, wie sie Prozesse im Unternehmen optimieren können, nachdem sie verstanden haben, welche Optionen Strukturen aufzubauen es gibt. Denn: Ein gutes Unternehmen funktioniert wie ein Orchester. Es hat eine perfekte Aufbauorganisation, jeder kennt seinen Platz, jeder hat sein Instrument und sein Notenblatt, alle achten genau auf den Dirigenten – und gemeinsam entsteht, indem jeder seine Rolle bestmöglich ausfüllt, etwas Großartiges. Ein guter Dirigent, merkt schnell, wo gute oder schlechte Leistung stattfindet und versteht sich darauf, zu loben oder zu tadeln und zu motivieren. Das können gute Führungskräfte auch.

Technologiewerkstatt: Warum, denken Sie, gewinnt die agile Projektmanagementmethode zunehmend an Bedeutung?

Hans Peter Hehn:

Weil viele qualifizierte Menschen zusammen Großes erreichen können. Heute gibt es in Unternehmen viele gut ausgebildete Mitarbeiter mit Studium und einem hohen Bildungsniveau. Diese Mitarbeiter sehen sich mit ihren Führungskräften auf Augenhöhe. Im Team und mit vereinten Kräften kann optimal gearbeitet werden. Die Führungskräfte setzen den Rahmen. An ihnen liegt es, das Ganze zu lenken, zu motivieren, zu erkennen, wer wo richtig und optimal arbeiten kann. Sie leisten dasselbe wie ein guter Dirigent, müssen jedoch auch nicht jedes Instrument perfekt spielen können.

Technologiewerkstatt: Spielt die Sach- und Fachkompetenz der Führungskräfte heute also eher eine untergeordnete Rolle?

Hans Peter Hehn:

So würde ich das nicht sagen. Aber soziale Kompetenz und Kommunikationstalent sind in agilen Organisationen sehr bedeutend. Sach- und Fachkompetenz muss zwar vorhanden sein, ein Chef muss heute aber längst nicht mehr alles besser wissen. Er ist vielmehr Motivator, Mediator und Konfliktmanager. Er schafft es, auch Individualisten in ein Team einzubinden, pflegt eine gute Fehlerkultur, kümmert sich um die Entwicklung seiner Mitarbeiter und respektiert deren Work Life Balance. Letztlich sind soziale Kompetenz und fachliche Kompetenz eher gleichgewichtig

Vielen Dank Herr Hehn, für das interessante Gespräch.

 

Interview: Christine Seizinger, Contento-PR, www.contento-pr.de

 

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